In der Quintessenz geht es beim intuitiven Essen darum, dass du wieder auf deinen Körper hörst, dessen Signale erkennst, deutest und dein Handeln nicht mehr in die Abhängigkeit des von der Außenwelt manipulierten Verstandes stellst – Selbstbestimmtheit statt externe Ernährungsregeln lautet das Credo. Das ist die eine wichtige Seite, über die du mehr im Blogartikel „Identifikation von Gefühlen und Verhaltensmustern als Schlüssel auf dem Weg hin zu einem intuitiven Essverhalten“ lesen kannst. In diesem zweiteiligen Artikel geht es nun um den zweiten Grundpfeiler des intuitiven Essens: dein Bewusstsein über Ernährung und der Wirkung unterschiedlicher Lebensmittel auf dein Wohlbefinden sowie deine Gesundheit. 

Die gleichwertige Behandlung von Lebensmitteln unter der Lupe

Im Buch „Intuitiv Abnehmen“ von Elyse Resch (Ernährungstherapeutin) und Evelyn Tribole (Ernährungswissenschaftlerin) wird das Prinzip des gleichwertigen Behandelns von Lebensmitteln definiert. Sprich, egal ob Apfel oder Chips – beides ist legitim und gut. Zwei Lebensmittel(-gruppen), die in ihrem ernährungsphysiologischen Wert nicht unterschiedlich sein könnten. Der Apfel, ein unverarbeitetes, vollwertiges Lebensmittel, das reich an Vitaminen und Mineralien ist und eine geringe Kaloriendichte besitzt. Die Chips, die durch die starke Verarbeitung der Kartoffel auf kleiner Menge viele Kalorien, aber wenig Mikronährstoffe, dafür umso mehr gesundheitlich unzuträgliche (Trans-)Fette enthalten. Und trotzdem soll es egal sein, ob bei körperlichem Hunger ein Apfel oder eine Tüte Chips gegessen wird – wirklich?

Die Wurzel von Kontrolle ist immer Angst - widme dich ihr und gehe Schritt für Schritt hindurch, denn Angst ist nie ein guter Berater.
Befreie dich, indem du dir alle Lebensmittel erlaubst.

Stopp, diese Herangehensweise ist einseitig und soll nicht zum ausgelassenen und ausschließlichen Konsum von Fastfood führen. Vielmehr geht es darum, dass du dir ALLE Lebensmittel erlaubst. An dieser Stelle darf es egal sein, ob diese Lebensmittel gemäß deinen bisherigen Überzeugungen und Diät-Regeln entweder zu viele Kohlenhydrate, zu viel Fett oder gar einen zu geringen Proteinanteil enthalten und evtl. nichts mit den Kriterien für natürliche, unverarbeitete Lebensmitteln zu tun haben. Du darfst frei wählen. Kommt beim Gedanken daran Angst in dir auf, weil deine bisher feste Kontrolle verabschiedet wird? Anfänglich Angst zu haben ist verbunden mit dieser Verhaltensänderung normal, doch wenn du durch deine Angst durchgehst, wirst du erkennen, dass du nicht 24/7 nur noch Ungesundes wie Pommes, Chips, Schokolade und Sahnetorte essen wirst. Zu Beginn mag es sein, dass dich diese Lebensmittel ganz besonders stark reizen und du sie primär essen willst, doch das Verlangen wird automatisch nachlassen, wenn du nicht zurück in die Verbots-Mentalität trittst.

Das ist der sogenannte Habituationseffekt, der in Verbindung mit besonders großen Reizen auftritt, aber nach und nach abschwächt, wenn diese Reize immer und immer wieder kommen und normal werden. Hast du also immer Schokolade im Haus und nicht nur zu besonderen Anlässen, so fällst du dank des Habituationseffekts nicht mehr sofort über die ganze Tafel her, sondern genießt sie bewusst. Gibst dir du z. B. jeden Tag ein, zwei Stücke Schokolade auf dein Porridge, stellst du voraussichtlich fest, dass du vielleicht gar keine Lust mehr auf dieses für dich ursprünglich höchst attraktive (weil verbotene Lebensmittel) hast. Es passiert kein unbewusster Konsum ohne Sinn und Verstand, sondern eine Wendung hinzu achtsamen Genuss, ohne dass du dich innerlich schlecht fühlst und schämst, diese Lebensmittel zu essen und genau das in der Vergangenheit deswegen eventuell nur heimlich und dafür in umso größeren Mengen getan hast. Ich habe auf meinem persönlichen Weg beispielsweise festgestellt, dass mir Chips gar nicht schmecken – früher waren sie auch für mich ein verbotenes Lebensmittel und umso maßloser habe ich zugegriffen, wenn die Möglichkeit dafür bestand. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass du ähnliche Erfahrungen machen wirst, egal ob es nun wie bei mir Chips oder eher die Sahnetorte sind.

Gibst du jeden Tag ein, zwei Stücke Schokolade in dein Porridge, stellst du voraussichtlich fest, dass du plötzlich gar nicht mehr täglich Lust auf Schokolade hast.
Das Verlangen nach vormals verbotenen Lebensmitteln wird nachlassen.
Spezifischer und unspezifischer Hunger

Bist du körperlich hungrig, so ist es wichtig, dass du die Hungergefühle willkommen heißt und nicht dagegen angehst. Dieses Körpersignal ist ein wesentlich besserer Richtungsweiser, als feste Essenszeiten und Diätvorschriften über deine Nahrungsaufnahme bestimmen zu lassen. Meistens gelingt es, sich für einige Tage oder Wochen an diese Vorgaben zu halten, doch dann schlagen Heißhunger und übermäßiges, unkontrolliertes Essen der „ausgegrenzten“ Lebensmittel zurück.

Du darfst den Fokus darauf legen, frei zu sein und bei Hunger das zu essen, wonach dein Körper verlangt. Etwas, das deinen körperlichen Hunger befriedigt, dir wirklich schmeckt und guttut. Dabei wird sich dein Hungergefühl in seiner Ausprägung nicht Tag für Tag in gleicher Intensität zeigen, du wirst also mal mehr und mal weniger Hunger verspüren – ein weiterer Grund, warum die Ernährung nach Kalorienrechner so herausfordernd und einschränkend ist. Sport- & Bewegungspensum, mental anstrengende Arbeit, Stressniveau, Zyklusphase, viel oder wenig Schlaf und auch das, was du am Vortrag gegessen hast, sind Faktoren, die die Hungerintensität beeinflussen.

Meistens kommt der Drang nach bestimmten Lebensmitteln wie z. B. Süßigkeiten hoch, wenn der Hunger nicht körperlicher, sondern emotionaler Natur ist. Echter Hunger ist dagegen eher unspezifisch, sodass du gedanklich eine breite Vielfalt an Lebensmitteln vor dir hast, die deinen Hunger befriedigen können. Vorlieben zu haben und beispielsweise Pasta, Risotto, Laugengebäck oder Joghurt mit Obst besonders gern zu essen, ist trotzdem normal nichts wofür du dich verurteilen solltest. Sobald es keine Verbote mehr gibt, wirst du auch wahrnehmen können, wie die einzelnen Gerichte/Lebensmittel auf dich wirken. Sprich, wie es dir geht, wenn du klassisches Fastfood oder ein Gericht basierend auf frischen, unverarbeiteten Lebensmitteln isst.

Mache es dir zu Gewohnheit, kurz in dich zu gehen und dich selbst zu fragen, was deinen Hunger JETZT und HIER am besten entsprechen würde.
Es ist eine Wertschätzung dir selbst gegenüber.

Mache es dir zu Gewohnheit, kurz in dich zu gehen und dich selbst zu fragen, was deinen Hunger JETZT und HIER am besten entsprechen würde. Kannst du dir in diesem Moment eine spezifische Antwort geben – Pizza, Thai-Curry oder Schokokuchen – ist es genau dann wichtig, diesem mit einem Wohlgefühl verbundenen Impuls nachzugehen = eine Wertschätzung dir selbst gegenüber. Immer dann, wenn dein Hunger unspezifisch ist und du vielleicht noch nicht die positiven Effekte bestimmter Nahrungsmittel kennengelernt hast, kann es dir schwerfallen, Mahlzeiten aus natürlichen, frischen und vitamin-/mineralstoffreichen Lebensmitteln zusammenzustellen. Auf der anderen Seite kann gleichermaßen auch die Herausforderung bestehen, mögliche negative Auswirkungen von Lebensmitteln (noch) nicht beurteilen zu können. Genau deswegen ist es grundlegend wichtig, zunächst aus einem breiten Spektrum wählen zu können – zum einen, um dein Bauchgefühl nicht auszuhebeln und zum anderen, um dein Ernährungsbewusstsein zu stärken. Um es dir an dieser Stelle aber leichter zu machen, ist ein grundlegendes Wissen über die positiven Vorzüge bestimmter Lebensmittelgruppen hilfreich, sodass du dir bei unspezifischem Hunger eine ausgeglichene Mahlzeit zubereiten kannst, die sich nachhaltig positiv auf dein Wohlbefinden auswirkt.

Im zweiten Teil des Blogartikels beleuchten wir, welcher Unterschied sich durch angewandtes Ernährungsbewusstsein beim intuitiven Essen realisieren lässt und wie dir das Potential der pflanzenbasierten Ernährung dabei helfen kann.