Stell dir vor, du sitzt vor einer Schüssel mit heißer und intensiv-aromatisch duftender Kürbissuppe. Du hast Hunger und freust dich darauf, die Suppe zu essen. Löffel für Löffel verschwindet sie in deinem Mund und wärmt dich von innen heraus. Trotz des harmonischen Geschmacks empfindest du, nachdem erst ein Viertel der Suppe aufgegessen ist, eine gewisse Langeweile und Eintönigkeit des Gerichts – bist gedanklich vielleicht schon bei den knusprig gerösteten Nüssen, die du später noch naschen möchtest. Halt…, hier stimmt doch etwas nicht, oder? Trotz der leckeren, sanft-cremigen Suppe denkst du plötzlich nur noch an die so herrlich knackig-festen Nüsse? Genau dieser Stelle kannst du ansetzen und künftig mit verschiedenen Konsistenzen und Temperaturen spielen. Hierin versteckt sich ein wichtiger Trick, der die sensorische Monotonie von Suppen oder so manchen Pasta-Gerichten auflöst und diese bis zum letzten Bissen nicht langweilig werden lassen lässt.

Warum guter Geschmack allein ein Gericht nicht zum Leben erweckt

Eine geschmackliche Harmonie ist immer die grundlegende Basis eines jeden guten Gerichts – egal ob du Zuhause kochst oder dir ein Dinner im Sternerestaurant gönnst. Der im Idealfall unverwechselbar gute Geschmack steht allerdings zusätzlich unter dem Einfluss zweier wichtiger Faktoren – Konsistenz und Temperatur. Beide können die Wahrnehmung des Gerichts deutlich verändern, sogar bei der Entscheidungsfindung mitspielen, ob dieses dir „nur“ geschmeckt hat oder es dich hingegen in seiner Gesamtheit vom ersten bis zum letzten Happen wirklich nachhaltig begeistern konnte.

Woran liegt das? Beim Essen werden nicht nur die etwa 5.000 Geschmacksknospen der Zunge angesprochen, sondern alle Sinne. Zum Teil bewusst, aber auch unterbewusst findet in dir eine „sensorische Analyse“ der Gerichte statt – während du sie isst und ebenso davor. Dieser Prozess geht sogar so weit, dass er bei kulinarisch versierten Menschen bereits einsetzt, wenn diese in Kochbüchern blättern oder die Speisekarte im Restaurant lesen – ich gestehe, so geht es auch mir. Die Speise wird also mit allen Sinnen abgeprüft – sehen, riechen, schmecken, fühlen und auch hören zählen darunter. Zuerst nehmen die Augen wahr, was vor dir steht, ebenso beteiligt sich die Nase, denn sie gibt dir wichtigen Aufschluss über den Geruch. Schmecken und Fühlen nehmen die wichtigste Rolle ein – dank deiner Zunge und deinen Lippen. Erfühlen und hören kannst du die Eigenschaften des Gerichts zudem durch den Einsatz von Besteck oder deinen Händen – in diesem Fall kommt es immer ein wenig auf die jeweilige Esskultur und die Art des Gerichts an.

Das Geschmackssystem arbeitet also nicht für sich allein, sondern wird auch durch die Beschaffenheit des Essens im Sinne von Konsistenz und Temperatur unterstützt. Im besten Fall ist hierbei eine Vielfalt gegeben, sodass es dir auf Anhieb viel leichter fällt, das Ergebnis der internen sensorischen Analyse durch Worte zum Ausdruck zu bringen. Ein Feedback von dir oder deinen Gästen könnte sich also von „Ja, die Kürbissuppe schmeckt gut“ bis hin zu „Oh, die knackig-würzigen Halsnüsse in Verbindung mit den tau-frischen Sprossen und den Räuchertofu-Würfeln als Einlage machen die Suppe wirklich zu einem abwechslungsreichen Highlight!“ ausprägen. Das zuletzt beschriebene Geschmackserlebnis ist somit plötzlich ein ganz anderes und viel spannender, da es Abwechslung mit sich bringt – ein Kontrast zu jedem Löffel Suppe, der immer wieder gleich schmeckt. Unterschiedliche Konsistenzen und Temperaturen erwecken ein Gericht also erst regelrecht zum Leben – und nein, dahinter steckt keine komplizierte Wissenschaft.

Beim Essen werden nicht nur die etwa 5.000 Geschmacksknospen der Zunge angesprochen, sondern alle Sinne.
Die sensorische Analyse beginnt.
Das Wirkungsprinzip verschiedener Konsistenzen und Temperaturen

Es ist sicher nicht an dir vorbeigegangen, dass die sogenannten „Buddha-Bowls“ derzeit stark gehypt werden – denn neben ihrer schönen Optik, sind sie der wahre Inbegriff des Konsistenz-Temperatur-Spiels. Meistens bestehen die bunten und leckeren Bowls aus fünf Komponenten: Getreide (z. B. warmer Reis), einem rohen Salat mit grünem Blattgemüse (z. B. Grünkohl-Avocado-Sesam), Hülsenfrüchten als konzentrierte Sattmacher (z. B. cremiger Hummus), herzhaft-gewürzt zubereitetem Gemüse (z. B. marinierter, gebackener Kürbis) und einem knusprig-knackigen Topping (z. B. geröstete Erdnüsse). Jede dieser Komponenten weist ihre ganz eigene Konsistenz und Temperatur auf. Es sind die Gegensätze, die sich anziehen und jeden Bissen sinnlich-spannend machen.

 

Konsistenz:

Durch das Einbeziehen unterschiedlicher Konsistenzen, hast du die Möglichkeit, beim Essen Vielfalt zu erleben und zu schmecken. So wird dieses immer wieder zu etwas „Besonderem“ wird, das deine Sinne positiv anspricht. Das als angenehm empfundene Konsistenz-Spektrum von Speisen lässt sich dabei von flüssig, weich, cremig, zart und luftig hin zu fest, knackig, kross und dicht beschreiben.

Die Augen geben einen ersten Aufschluss über Konsistenzen, mit dem Ansetzen des Bestecks werden unterschiedliche Widerstände spür- und hörbar, bis schließlich bei jedem Happen über den Kontakt mit Lippen, Zähnen und Zunge weitere Empfindungen hinzukommen. Diese Komplexität würde wegfallen, wenn das jeweilige Essen eine zu Brei pürierte Masse wäre, denn eine Vielfalt von Konsistenz bzw. Textur beeinflusst die Wahrnehmung von Geschmack und den Entfaltungsprozess der Aromen maßgeblich. An einer Scheibe frischem Brot, das heiß, knusprig und kross ist, lässt sich dies besonders gut verdeutlichen. Diese schmeckt viel besser und löst völlig andere Emotionen hervor, als eine „normale“ Scheibe kaltes Brot – schließe gern kurz die Augen und versuche den Unterschied gedanklich nachzuspüren.

 

Temperatur:

Spürbare Temperaturunterschiedene machen Gerichte durch einen wahrnehmbaren Wechsel von warm und kalt automatisch spannender, denn sie tragen einen Überraschungseffekt mit sich. Die Veränderung von Temperatur wird dabei zuerst über die thermosensitiven Lippen wahrgenommen wird, auch die Geschmacksreize variieren in Abhängigkeit von der Temperatur des Gerichts bzw. dessen Komponenten.

Durch die Integration von unterschiedlichen Konsistenzen, setzt sich ein Gericht bereits zum Teil bereits automatisch auch aus unterschiedlichen Temperatur-„Zonen“ zusammen. Doch auch hier lässt sich der Spielraum ausweiten. Du kannst in heißen Gerichten einen erfrischenden, kühlenden Effekt erzeugen, indem du eine kalte Komponente integrierst. Altbekannt ist normalerweise eher das Gegenteil – denk einmal an Klassiker wie Vanilleeis mit heißen Himbeeren oder kaltes Fruchtkompott mit warmer Vanillesauce – beide sollten dich an das interessante Wechselspiel zwischen heiß und kalt erinnern, das sich beim Essen ergibt. Doch fernab von dieser süßen Sparte, soll es eher um die simple Alltagsküche gehen, die du auffrischen kannst. Beispielsweise kann eine simple Süßkartoffelsuppe mit frischen Spinatblättern sowie kühlen Birnenstreifen ergänzt und für noch mehr Abwechslung in puncto Konsistenz zudem mit gerösteten Mandelsplittern getoppt werden. Während die Süßkartoffelsuppe also köchelt, röstest du die Mandelsplitter, schneidest die Birnen und wäschst die Spinatblätter. Insgesamt nur ein paar kurze, unkomplizierte Handgriffe mehr, die die Suppe auf ein ganz anderes Niveau heben und Eintönigkeit beim Essen vermeiden.

Taste dich langsam heran und probiere aus!

Vielleicht denkst du dir jetzt gerade: „Ich würde ja gern meine eigene Koch-Revolution feiern, doch das scheint mir alles zu komplex und schwer umsetzbar.“ Wenn du dich dem Thema aber erstmal geöffnet, versteckt sich dahinter eine völlig neue kulinarische Welt – die dich begeistern und zum Staunen bringen wird. Und du kannst beruhigt sein, denn deine Bedenken sind unbegründet und die Umsetzung weniger kompliziert, als zunächst angenommen.

Es nicht immer eine komplexe „Buddha-Bowl“ sein, denn auch die folgenden Konsistenzgeber und Temperatur-Veränderer, werten beispielsweise Suppen oder Salate ganz wunderbar auf:

  • knusprige Toppings (geröstete crunchy Nüsse, Brot-Croutons, Gemüsechips, Granatapfelkerne)
  • Kräuter, essbare Blüten oder Sprossen für Knackigkeit und Frische
  • gebratene Räuchertofu- oder marinierte Tempehwürfel als Einlage oder Topping – kross und bissfest
  • kaltes Chutney oder Joghurt für ein kühlendes, prickelndes Mundgefühl
  • frisch geschnittene Juliennestreifen oder Würfel aus Gemüse/Obst
  • flüssig, stückige Saucen oder Cremes
  • einfach mal mutig sein: herzhafte Eiscreme in heißen Suppen (z. B. Süßkartoffelsuppe mit einer Kugel Erbsen-Joghurteis und Mandelcrunch)

Für den Einstieg kannst du dich zunächst an diesem Rezept für eine winterliche Rotkohlsuppe mit Maroni, Apfel und Walnüssen versuchen. Wage gern mal einen kleinen Selbsttest, indem du einen Teller pure Suppe mit einer zweiten Portion einschließlich aller Komponenten vergleichst und all deine Sinne einbeziehst:

REZEPT: Rotkohlsuppe mit Maroni, Apfel und Walnusscrunch

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für drei Personen. 30 Minuten Zeitaufwand.

Zutaten:

  • 300 g Rotkohl (frisch)
  • 120 g Kartoffeln
  • 1 mittelgroße Zwiebel
  • 50 g Mandelmus oder geschälte Mandeln
  • 2 EL Rapsöl (gern mit Buttergeschmack)
  • 1 EL Gemüsebrühepaste oder Pulver
  • 1 l Wasser
  • 1 TL Dattelsirup oder Kokosblütenzucker
  • Salz & Pfeffer zum Abschmecken
  • 100 g Maroni (vorgekocht & vakuumiert)
  • 1 TL Rapsöl
  • 1 EL Sojasauce
  • 50 g Walnüsse
  • 1 TL Dattelsirup oder Kokosblütenzucker
  • 1 Prise Chili
  • 1 Apfel
  • frische Sprossen (Radieschen oder eine Alternative deiner Wahl)

 

Zubereitung:

Wichtig: hast du kein Mandelmus und nutzt stattdessen geschälte Mandeln, dann weiche diese zuerst in kochend-heißem Wasser ein, bevor du mit dem ersten Schritt beginnst.

  1. Den Rotkohl waschen und in kleine Stücke schneiden. Kartoffeln schälen und ebenso klein schneiden. Beides zusammen in eine Schüssel geben.
  2. Einen großen Topf erhitzen, während dessen die Zwiebel hacken und diese anschließend mit zwei Esslöffel Rapsöl unter Rühren ca. eine Minute braten.
  3. Nun die Rotkohl-Kartoffel Mischung in den Topf geben und ca. vier Minuten anrösten lassen, dabei regelmäßig umrühren, sodass nichts anbrennt. Tipp: verwendest du frische Gemüsebrühepaste, so kann diese ebenso mit angebraten werden.
  4. Einen Liter Wasser (plus Gemüsebrühepulver) aufgießen, Röstaromen vom Topfboden mit einen Holzschaber lösen. Das Ganze nun für ca. 20 Minuten auf mittlerer Hitze kochen lassen.

Toppings:

  1. Eine mittelgroße Pfanne erhitzen, einen Esslöffel Rapsöl hineingeben und die Maroni hineinbröseln. Diese leicht golden anbraten, danach Kochplatte ausschalten. Mit Sojasauce ablöschen – hierbei gut umrühren. Maroni in eine Schüssel geben und zur Seite stellen.
  2. Die Pfanne kurz mit Wasser ausspülen und erneut erhitzen. Die Walnüsse grob hacken und in der Pfanne achtsam rösten. Kochplatte ausschalten. Nun Dattelsirup sowie Chili hinzugeben und die Nüsse unter Rühren durch die Restwärme leicht karamellisieren lassen.
  3. Den Apfel in Julienne-Streifen schneiden und die ggf. mit etwas Zitronensaft beträufeln.

Finale:

  1. Mandelmus bzw. geschälte Mandeln (Einweichwasser abgießen) und in den Suppentopf geben. Nun füllst du die fertig gekochte Suppe in den Hochleistungsmixer oder pürierst sie im Topf mit dem Pürierstab, anschließend mit Salz und Pfeffer abschmecken.
  2. Die fertige Suppe nun in Schüsseln oder tiefe Teller füllen, die Maroni in die Mitte setzen und abschließend mit Apfel-Julienne, frischen Sprossen sowie Walnusscrunch toppen.